Das Gehirn und das Lernen

Wir wollen unser Lernen optimieren, wollen die Dinge schneller checken und besser im Gedächtnis behalten können. Es ist ein bisschen, wie bei einem Auto. Wenn wir ungefähr verstehen, wie der Motor und das Getriebe funktioniert und wir dann noch die richtigen Reifen für die Jahreszeit aufgezogen haben, dann bekommen wir unsere 500-PS auf die Straße und können Vollgas geben. Wenn du einfach dein Leben lang weiter mit 50km/h vorankommen willst, kannst du das Lesen hier beenden und am besten gleich los tuckern…. Achtung 30er-Zone 😉 Ansonsten geben wir jetzt Vollgas und zwar auf der guten deutschen Autobahn, Jippie 🙂

Ziehen wir uns die Mechaniker-Klamotten an und schauen wir mal unter die Motorhaube. Besser gesagt, wir gehen erstmal in die Fabrik. Wie entsteht denn unser Gehirn?

Hier kann ich euch das Buch „Selbstbestimmen“ von Manfred Spitzer ans Herz legen. Dank seinem Werk durfte ich meine Ausbildung als Gehirn-Mechaniker vor 20 Jahren beginnen 😉 Ich weiß, ganz schön „reduktionistisch“, aber um Zusammenhänge verstehen zu können, müssen wir erstmal einfach anfangen. Wenn ich dir ein Orchester und eine Synphonie erklären wollte, würde ich ja auch mit den Instrumenten anfangen und niemals behaupten, das Erlebnis eines Konzertbesuches sei nur darauf beschränkt. Gut, zurück zum Thema.

Unser Gehirn ensteht im Bauch unserer Mutter aus einem Rohr, dem „Neuralrohr„, welches sich nach und nach so faltet, das unsere Gehirnwindungen entstehen (sogenannte „Gyrus“, hat mit dem griechischen Essen zum Glück nichts zu tun, ist aber eine schöne Eselsbrücke, aber dazu gleich mehr)… Insgesamt kommen wir so auf eine Fläche von 1/4m2, über 100 Milliarden Nervenzellen mit unzählbar vielen Verbindungen. Das komplexeste Organ, das wir bisher entdecken durften, boah ey 😉

Also kommen wir zur Welt mit einem riesigen Haufen an Nervenzellen im Gehirn. Was nun folgt, ist eine unglaubliche Vernetzung der Neurone untereinander. Dieses Wissen können wir uns gleich zu Nutze machen. Wenn wir es schaffen mit Eselsbrücken eine neue Erkenntnis oder einen Namen mit bereits bekanntem zu verbinden, dann merken wir es uns besser 🙂

Soweit, so gut! Jetzt schauen wir uns den Motor mal genauer an. Zunächst gibt es ja Nervenzellen, die Neuronen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Nervenzelle

Nervenzellen sind wie Stromkabel, sie leiten mit Spannungsunterschieden ein Signal von A nach B. Die Myelinscheide ist dabei die Isolation. Je dicker das Kabel, je schneller die Übertragung 🙂 Die Nervenzellen verbinden sich in unzähligen Synapsen, also ganz schmalen flüssigkeitsgefüllten Spalten zwischen den Nervenzellen.

Falls du ein Neuro-Checker werden willst, hier eine geniale Übersicht von meinem Freund Wikipedia:

Die Nervenzellen aktivieren oder hemmen sich gegenseitig (ganz einfach mit Plus- und Negativ-Spannung) und, ob ein Signal weiter geleitet wird, hängt von der Anzahl der Synapsen ab, die wir zwischen den Nervenzellen gebildet haben. Ein kleines Beispiel gefällig. Du weißt, dass ein Auto mit 500PS schneller ist als eins mit 20PS. Da sind als viele Synapsen gebildet worden und der Gedanke ging so schnell, wie eine Rakete durch deinen Kopf. Wenn ich jetzt das Gegenteil behaupten würde, wäre dein Stirnrunzeln und der Zeigefinger an der Schläfe sehr wahrscheinlich das Ergebnis 🙂 Wenn ich dir jetzt aber sage, dass es beim Traktor z.B. ja nicht um die Geschwindigkeit, sondern um die ausgeübte Kraft geht und dass es mit dem Hubraum zusammenhängt, sind wahrscheinlich weniger Synapsen am Start und du denkst erstmal eine Weile drüber nach. Es sind also viele „Umgehungswege“ in deinem Gehirn aktiv, die versuchen, darin einen Sinn zu finden 😉

Also gut, jetzt haben wir uns die Nervenzellen, die mit Strom funktionieren und die Synapsen angeschaut. Aber warum „gottverdämmi“ hören die Nerven einfach auf? Warum braucht es diesen Spalt? Wäre es nicht geschickter, die Nerven laufen einfach von einer Seite zur anderen und das Gehirn ist einfach nur der Sicherungskasten, wo alle Kabel zusammen laufen? Wenn das so wäre, dann würden wir wirklich mit einem dicken Kasten anstelle des Kopfes herum laufen und wahrscheinlich hätten wir so gar nicht durch das Becken unserer Mutter gepasst, arggg…. :/

Synapsen sind eine geniale Erfindung der Natur (oder vom lieben Gott, who knows!). Unser Gehirn hat damit die Möglichkeit, wie bei einem superadvancten Chemie-Cocktail-Schalthebel mit unseren Botenstoffen (Dopamin, Serotonin und Co.) Einfluss auf unsere Gedanken zu nehmen, sowohl im kleinen, als auch im Großen… Also, dann kommen wir mal zum Großen, unseren Gehirnregionen.

Jahrhunderte haben unsere Vorfahren geglaubt, unser Gehirn sei wie eine große Kommode aufgebaut. Es wurde geglaubt, dass wir für unsere Emotionen „Schubladen“ besitzen und wenn uns eine Schlange über den Weg läuft, dann wird aus der Amygdala (sog. Mandelkern), dem Fach der Angst schnell eine Reaktion dem restlichen Gehirn diktiert. Das ist leider so einseitig dargestellt, da es in „toten“ Gehirnen erforscht wurde. Wenn ich einem Orchester durch einen verschlossenen Vorhang lausche und nach dem Konzert die „leblose“ Bühne mit dem Scheinwerfer anschaue, kann ich auch behaupten, das Orchester bestehe nur aus Blasinstrumenten, Streichern und Schlagzeugen. Das stimmt zwar, es ist jedoch leider nur ein Teil der Wahrheit. Wir konnten lange unser Gehirn entweder im toten Zustand erforschen oder indirekt durch das Verhalten der Person auf seine Arbeitsweise Rückschlüsse ziehen (Orchester hinter dem Vorhang). Seit den 2000er Jahren haben uns aber PET-Scans und Co. den Blick in ein lebendes, denkendes und arbeitendes Gehirn ermöglicht und unsere Modelle, wie das Gehirn arbeitet vollkommen verändert.

Unser Gehirn arbeitet in Netzwerken, die hierarchisch strukturiert sind und durch Knotenpunkte (sogenannten „Hubs“, siehe Beitrag über Netzwerke) mit einander in Verbindung stehen. Die Amygdala ist solch ein Knotenpunkt und sie verknüpft das „Aufpasser-Netzwerk“ mit unserem „Allostase-Selbsterhalter-Netzwerk“. Ihre Aufgabe ist es, u.a. äußere Reize zu erkennen und einzuschätzen (sog. „Threat-Detection“). Sie ist kein „Zentrum der Angst“, das ist aus dem letzten Jahrtausend, sorry :/

Wie können wir jetzt dieses Wissen nutzen, um unser Lernen zu optimieren? Wir müssen auf der „Wippe unserer Netzwerke“ lernen zu tanzen, und zwar auf der Stange, sonst wirds schnell langweilig. Kleiner Reminder aus dem Beitrag über, wie unser Gehirn funktioniert (kleine Wiederholung schadet nie ;):

Am besten Lernen wir, wenn unser „Arbeits-Netzwerk“ (das „Central-Executive-Network“) aktiv ist und das geht nur, wenn wir nicht gleichzeitig herum träumen. Das kennen wir alle! Wie gerne schweifen wir vom Thema ab und hängen gedankenverloren am Schreibtisch ab. Finger aus der Nase! 😉 Sehr vereinfacht ist das Aufpasser-Netzwerk („Salience-Network“) stark vom Dopamin und Noradrenalin geprägt, die beiden Cousins. Erinnerst du dich an den Beitrag zum Dopamin und zum Stress?

Kommen wir also zu den Empfehlungen für ein „geiles“ Lernen:

  1. Nutzen wir die ersten 8 Stunden nach unserem Aufstehen (die „dopaminerge Phase“), wo unser Aufpasser-Netzwerk Vollgas gibt. Hier können wir uns schwierigen Aufgaben widmen, die uns Grips kosten 🙂
  2. Teile deine Lernphasen in Blöcke von 45 bis maximal 90 Minuten auf. Die Dauer ist trainierbar, über 90 Minuten wird es jedoch hardcore, denn deine Dopaminsynapsen sind ausgequetscht, wie eine leere Zitrone 😉
  3. Für Aufgaben mit Laserfokus kannst du am Tag maximal 2 Blöcke effektiv nutzen (schau beim Dopamin nach Nootropics, die dich ev. dabei unterstützen.
  4. Die Nachmittagszeit (8-16 Stunden nach dem Aufstehen) ist unsere „serotonerge Phase“. Wir sind kreativer und können eher gesellschaftlichen Aufgaben nachgehen. Lass es entspannter angehen und gönn dir auch mal eine Pause, z.B. mit Non-Sleep-Deep-Rest oder „Yoga Nidra“ (einfach bei Youtube eingeben).
  5. Wenn wir uns in der Nachmittagszeit sehr konzentrieren müssen und die beiden Cousins Dopamin und Noradrenalin herauskitzeln müssen, so können ein paar kleine Tricks helfen, die unser Stressniveau erhöhen. Da gibt es reichlich Möglichkeiten, deiner Phantasie seien keine Grenzen gesetzt. Du kannst mit einer vollen Blase weiter arbeiten, bis es nicht mehr geht oder dich in ein lautes Kaffee setzen, die Umgebungsgeräusche aktivieren dein Stresssystem und vieles mehr. Achte nur darauf, dass du dies nicht übertreibst 😉
  6. Willst du Profisportler werden und deine gelernten Bewegungsabläufe besser behalten, so ist es sinnvoll nach der Trainingseinheit ca. 5-10 Minuten das Gelernte „sacken zu lassen“. Studien haben gezeigt, dass dein Gehirn in dieser möglichst ungestörten Zeit die Muskelaktivierungen im Rückwärtsgang noch einmal durchgeht und es so besser im Körpergedächtnis bleibt. Stark, oder?? Nutze einfach die Möglichkeit, deine Muskeln (und deinen Geist) nach dem Training zu dehnen und gehe dabei in dich, das bewirkt Wunder 😉
  7. Wenn du ein kreativer Kopf und Schöpfer oder der erfolgreichste und glücklichste Liedermacher der Welt werden willst, dann besorge dir unbedingt das Buch „The Creative Act“ von Rick Rubin und du wirst Quellen deiner Inspiration finden, die du dir im Traum nicht hättest vorstellen können.

Zum Schluss noch ein kleiner Lern-Schmankerl. Wenn dir Merklisten schwer fallen, du immer alles ins Handy schreiben musst, dann hilft dir dieses Tool vielleicht weiter, an die Dinge zu denken.

Merke dir erstmal die folgenden Symbole mit kleinen Eselsbrückchen 😉 1. der Kaktus, 2. der Schwan, 3. das Dreizack, 4. der Trabbi, 5. Die Hand, 6. Der Würfel, 7. der Zwerg (von den 7 Zwergen ;), 8. die Achterbahn, 9. die Schnecke (die 9 im Schneckenhaus) und 10. die Bibel (10 Gebote)…

So, jetzt möchtest du etwas einkaufen gehen und stellst dir die Gegenstände in deiner Umgebung vor, je eindrücklicher, je einprägsamer 😉 Du brauchst also 1. Klopapier (soso;), dann hängst du in deinen Gedanken eine Klopapierrolle an den Kaktus (autsch), dann brauchst du 2.Bananen. Die legst du auf den Schwan, schön ins Gefieder. Als drittes brauchst du Käse, den spießt.du auf dein Dreizack auf und 4. noch eine Kiste Bier, die lädst du natürlich in den Kofferraum des Trabbis… und so kannst du dir super Dinge merken, probier es aus und dein Gehirn-Jogging kann los gehen 😉

Mein Fazit:

Wir lernen die Dinge, die uns unter die Haut gehen. Wenn wir uns emotional mit einem Thema identifizieren und wir erahnen, dass es uns weiter helfen könnte, dann sind unsere Netzwerke darauf „laserfokussiert“, wir können es ideal mit unseren gelernten Inhalten verknüpfen und durch die Wiederholung werden die Nervenbahnen dicker und die Synapsen mehr…

Siehe auch:

Apps:
Anki-Lern-App mit Lernkarten

Bücher:
Buch „The Creative Act“ von Rick Rubin

Buch „Selbstbestimmen“ von Manfred Spitzer

Podcasts:

Podcast von Lex Fridmann mit Lisa Feldman-Barrett über das Gehirn

Podcast vom Hubermanlab über Lernen, Schlaf und den Stoffwechsel

Podcast vom Hubermanlab über Lernen & Kreativität

Podcast von Andrew Huberman und Rick Rubin

Podcast vom Hubermanlab über Hören, Balance und beschleunigtes Lernen

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