Kommen wir zum entspannten Teil der Botenstoffe in unserer Birne, dem Serotonin. In den letzten Beiträgen haben wir uns genug gestresst, lass uns endlich mal entspannen 😉
Serotonin ist ein Botenstoff und im Gehirn der direkte Gegenspieler zum bereits bekannten Dopamin. Es ist ebenso ein Neuromodulator, d.h. es gehört zum Verkehrsleitsystem im Gehirn. Im Gegensatz zum Dopamin übt es eine vorzüglich hemmende Wirkung auf die Nervenzellen aus, es schenkt uns das Gefühl von Gelassenheit, innerer Ruhe und Zufriedenheit. Es dämpft Angstgefühle, Aggressivität, Kummer und Hunger. Gutes Zeug 😉 Serotonin hat auch seine Rolle beim Aufrechterhalten unseres Wachzustandes und es sorgt dafür, dass wir nach weniger Sex verlangen und es kann auch eine Errektionsstörung verursachen. Das wäre dann viel des Guten :/
Also, bis zu einem Level wollen wir mehr von diesem Zeug. Wow, es gibt ja Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (sog. SSRI – Serotonin-Reuptake-Inhibitors), welche die Serotonin-Staubsauger im synaptischen Spalt blockieren und somit indirekt für mehr Serotonin sorgen. Folgen wir dem amerikanischen Trend und nehmen diesen geilen Stoff einfach mal. Warum das keine so gute Idee ist, erkläre ich dir jetzt…
Die stimmungsstabilisierende Wirkung von SSRIs hat sich in den Studien so ganz nebenbei gezeigt. Es wurde die „Serotonin-Mangelhypothese“ aufgestellt und der Mechanismus der Depression schien geklärt, ein reiner Serotoninmangel. Abgehakt? Nein, leider nicht ganz. Es wurde festgestellt, dass sich der Serotoninspiegel innerhalb von Stunden nach der Einnahme eines SSRI im Gehirn erhöht, die spürbare Wirkung lässt jedoch wochenlang auf sich warten. Wie geht das? Der alleinige Serotoninmangel als Ursache für eine Depression gilt als widerlegt, es ist eben komplexer…
Neuere Studien zeigen, dass durch die Einnahme eines SSRI der Botenstoff BDNF (Brain-derived-neutropic-Factor) und die Lernfähigkeit des Gehirnes sich erhöhen (Neuroplastizität).
Und jetzt werden SSRIs sogar politisch, fast schon Donald-Trumpesk (Ironie-Alarm!!!). Sie zeigen eine unterschiedliche Wirkung und sind potenter, je besser wir ausgebildet und verheiratet sind, je höher unser Einkommen ist und ob wir einer Beschäftigung nachgehen. Auch Menschen aus dem kaukasischen Kulturkreis scheinen unterschiedlich darauf anzusprechen. Bevor wir uns in eine „Henne-Ei-Diskussion“ begeben und fragen, ob die Studien überhaupt aussagekräftig sind nehmen wir die Abkürzung und kommen direkt zu meiner Einschätzung.
Ich denke, SSRIs sind bei einer „echten“ Depression sehr gut wirksam, jedoch nur dann nachhaltig, wenn sie durch eine Geprächstherapie begleitet werden. Insbesondere die erhöhte Lernfähigkeit (Neuroplastizität) kann in der Psychotherapie genutzt werden, um langfristige Erfolge zu erzielen. Ideal wäre erst einmal eine „therapeutische Allianz“ zu finden und dann, wenn der Fortschritt ins Stocken gerät über zusätzliche SSRIs nach zu denken 🙂
So, jetzt haben wir über Medikamente gesprochen, ,die jedoch eine Ausnahme seien sollten. Wie können wir denn anderweitig unser Serotonin-Barometer positiv beeinflussen? Hier eine kleine Übersicht
- Komfort-Zone: Richte dir in deinem Leben Inseln ein, in denen du dich sicher fühlst. Diese Safe-Spaces sollten Lieblingsorte in deinem Zuhause oder in der Natur sein, wo du dich 100% sicher fühlst und auftanken kannst;)
- Erholsamer und regelmäßiger Schlaf ist für das serotonerge Netzwerk essentiell. Es braucht auch mal seine Ruhe, um dich am nächsten Morgen wieder mit Lebensenergie zu versorgen. Da wären wir wieder bei den Zeigefinger-Rat-Schlägen, immer schön früh ins Bett gehen 😉
- Wohlwollende Beziehungen sorgen für einen ausgeglichenen Serotoninhaushalt, das Einsamkeitsgefühl kann auch ein Zeichen von Serotoninmangel sein, also raus unter die Leute 🙂
- Sauna und Wärmeanwendungen helfen direkt über das Serotonin, dein Wohlgefühlbarometer zu erhöhen
- Eine tryptophanreiche Ernährung hilft deinem Körper, besser Serotonin daraus bilden zu können. Hier sind Soja, Cashew, Edamer, Erdnüsse, Truthahn, Hafer, Rindfleisch und Huhn mögliche Unterstützer.
- Achtung mit Nahrungsergänzungsmitteln, die direkt in den Serotoninstoffwechsel eingreifen. Hier gilt, desto näher wir uns von der chemischen Struktur am Endbotenstoff Serotonin befinden, umso vorsichtiger sollten wir damit vorgehen. Wenn wir unter Schlafstörungen leiden und einen Serotoninmangel vermuten (Achtung, Selbstdiagnose geht oft in die Hose!!!!) und z.B. vor dem Schlafen gehen 5-HTP einnehmen (direkte Serotoninvorstufe), könnte uns am nächsten Morgen ein böses Erwachen drohen mit einem noch nie da gewesenen Überhang. Wir kommen also nicht mehr aus dem Bett :/ Auch das Myo-Inositol wird maximal alle 3 Tage zum Schlafen gehen empfohlen (max. 900mg) und NUR nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt!
- Besser sind indirekte Helferlein. Fischöl mit einem EPA-Anteil von mindestens 1000mg am Tag kann nach mehreren Wochen einen guten Effekt zeigen. Auch Kreatin (5000mg tgl.) kann seinen indirekten Beitrag leisten.
- Das liebe Johanniskraut (300-900mg tgl.) ist ein richtiges Medikament. Es ist bei leichten Depressionen wirksam, es kann jedoch an der Leber kratzen (Leberwerterhöhungen verursachen) und dermaßen mit anderen Medikamenten (auch der Pille) kreuzreagieren, dass du die Einnahme auf jeden Fall vorher mit deinem Arzt besprechen solltest.
- Auch Drogen können den Serotoninhaushalt aufmischen, es laufen gerade erfolgversprechende klinische Studien mit MDMA (einer ecstasyähnlichen Substanz) oder Psylocibin („Magic Mushrooms“), die sowohl zu einem Serotonin- als auch Dopamin-Feuerwerk führen und scheinbar schwerste Depressionen zu lindern vermögen. Überlege dir jedoch gut, ob du solch einen Trip alleine oder mal schnell mit Kumpels erleben willst. Nicht nur, dass es illegal ist, du brauchst dafür eine speziell ausgebildete Fachkraft, die dich begleitet. Oder würdest du einfach mal mit deinen Kumpels zum Mount Everest aufbrechen? Achtung Gletscherspallltteeeeeeee…. Du kannst bestimmt „coole“ Erfahrungen sammeln, aber clever ist das NICHT!!!!
Mein Fazit:
Das serotonerge System sollte sorgsam verwöhnt werden, wenn uns Wohlgefühl und Chillen wertvoll sind. Dein Lebensstil, deine Freunde und insbesondere dein Schlafverhalten haben direkten Einfluss darauf. Unterstützend kannst du mit Nahrungsergänzungsmitteln die Bildung von Serotonin ankurbeln, je direkter die Wirkung, je höher das Risiko eines Crashes danach. Bedenke dies! Und dann gibt es noch diese Antidepressiva (SSRI), die in letzter Zeit ganz schön in Verruf geraten sind. ***Meinungs-Alarm*** Meiner Meinung nach zu unrecht. Sie gehören einfach in fachmännische Hände (du würdest ja auch nicht „einfach so“ ein Blutdruckmittel nehmen und dich dann darüber aufregen, dass du nicht mehr aus dem Bett kommst, weil dein Blutdruck zu niedrig ist ;).
Immer schön entspannt und humorvoll bleiben 🙂
Dein Felix
Siehe auch:
Huberman Lab Podcast zu Serotonin und der Chemie des Gehirnes
Podcast über Dopamin, Serotonin und das Zeitgefühl
Podcast über Wärme und das Serotonin
Podcast über MDMA und die therapeutischen Optionen
Studie zum Citalopram (SSRI) und sozioökonomische Faktoren im Nature Magazin