Das Temperament, der Charakter, die Persönlichkeit und das Böse

Heute stecke ich dich in eine Schublade und ich zeige dir, wie du deine Mitmenschen kategorisierst. Was, wir sind doch viel zu individuell, um uns in Schubladen stecken zu lassen? Pustekuchen…

Schauen wir uns erst einmal das Temperament an, damit kommen wir zur Welt. Wir haben unsere 4 Temperamente einem Herrn „Galenus von Pergamon“ vor gut 1900 Jahren zu verdanken, den leichtfüßigen Sanguiniker, den schwermütigen Melancholiker, den aufgedrehten Choleriker und den tiefen entspannten Phlegmatiker. Hans Jürgen Eysenck war eine Persönlichkeit in der Persönlichkeitsforschung 😉 Er hat zwei Dimensionen mit der antiken Temperamentenlehre verbunden….

Der lustige Sanguiniker ist extrovertiert und stabil, der Choleriker extrovertiert und labil, der Phlegmatiker in sich gekehrt und stabil, der Melancholiker frisst alles in sich hinein und er ist laut Eysenck labil….
Ein weiterer Meilenstein in der Persönlichkeitsforschung ist der Myers-Briggs-Typenindikator. Er hat 4×4 Eigenschaften, also Allradantrieb, besser 16 Persönlichkeitstypen:

  1. I= Introvertiert und E = Extrovertiert (kommt uns bekannt vor 😉
  2. S = Sensing/Wahrnehmend und N = intuitiv
  3. T = Thinking/Denkend und F = Fühlend
  4. J = Judging/Verurteilend und P = Empfindend
https://de.wikipedia.org/wiki/Myers-Briggs-Typenindikator

Der ISTJ ist ein introvertierter (I) wahrnehmender Typ (S), der viel denkt (T) und gerne auch verurteilt (J). Das Problem an diesen Tests ist ihre Aussagekraft über eine lange Zeit hinweg. Bin ich heute ein ISTJ und morgen ein INTP, dann wird es ganz schön kompliziert :/ Es ist gut für die Regenbogen-Presse aber es hilft uns nur bedingt weiter…..

Warum erzähle ich dir diese ganze Geschichte? Es gibt unzählige Persönlichkeitstests, die auf den unterschiedlichen Ideen beruhen. Wenn du sie kennst, bist du klar im Vorteil 😉

Kommen wir also zum aktuellen Goldstandard der Persönlichkeitspsychologie, den Big-Five oder das Fünf-Faktoren-Modell. Wenn wir uns an unsere Grundbedürfnisse erinnern, wissen wir, dass unsere Bindung und unsere Selbstwirksamkeit gegensätzlich sind. Der Neurotizismus und die Extraversion stehen sich polar gegenüber. Ich weiß, das sind bescheuerte Begriffe, aber wir wollen ja mit klugsch****** können ;). Dazwischen befinden sich die übrigen Persönlichkeitsmerkmale, wie Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Offenheit.

Natürlich lassen sich auch diese 5 Begriffe nicht scharf voneinander abgrenzen, sie helfen jedoch ein Verständnis von einer Person zu bekommen und sie sind so was von wissenschaftlich belegt 😉

„Menschen tun Dinge eher durch die Umstände als aufgrund ihrer Persönlichkeit“

(Paul Bloom – Buch Psych, frei übersetzt)

Jetzt wird`s spannend. Wenn ich an einem verdreckten Bahnhof stehe und keine Mülltonne in Sicht ist, dann schmeiße ich mein Kaugummipapier auch einfach auf den Bahnsteig, wenn alles pikobellosauber ist, dann stecke ich es natürlich in meine Hosentasche. Der Grad meiner „Gewissenhaftigkeit“ verändert sich mit dem Ort, an dem ich mich befinde…

Wollen wir zur Abwechslung mal böse werden? Fangen wir mit einer fiesen Frage an. Waren die am Holocaust beteiligten Deutschen böse Menschen, Barbaren und Psychopathen? Einige schon, es gab aber viele Mitläufer… Ok weiter gefragt. Was glaubst du, wenn du an einem Experiment mitmachen müsstest, wo dein Proband am Ende durch deine Stromschocks sterben könnte, was glaubst du zu wieviel Prozent würdest du mitmachen? Zu 0% oder vielleicht 1%?

Stanley Milgram war ein Psychologe an der Yale-University mit jüdischen Wurzeln und auf der Suche nach einer Antwort auf diese Fragen. Er kreierte das erschreckendste und aufrüttelndste Experiment das es jemals gegeben hat und es wurde mehrfach überprüft und bestätigt. Durch Zeitungsartikel suchte das „Milgram-Experiment“ 1961 freiwillige Probanden für einen „Gedächtnistest“:

https://de.wikipedia.org/wiki/Milgram-Experiment

Die freiwilligen Probanden wurden von einen Versuchsleiter (V) in einem weißen Kittel im Flur der Yale-Universität empfangen und in den Versuchsraum begleitet. Dem Proband wurde erklärt, dass er in der Rolle eines Lehrers (L) sei und er einen Schüler (S) im Nebenraum Fragen stellen solle.

Würde der Schüler eine Frage falsch beantworten, so bekäme er durch den Lehrer einen Schock, bei zunehmenden Fehlern würde auch die Stärke der Schocks steigen. Der Lehrer saß also vor einem Pult, das so aussah:

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Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

https://www.youtube.com/results?search_query=milgram+experiment+original

Auf der rechten Seite des Gerätes stand unter den Schaltern ein Zeichen „Danger“ und mit der Steigerung der Schocks hörten die „Lehrer“ auch zunehmende Geräusche aus dem Nebenzimmer. Das waren zum Glück nur Schauspieler und keiner kam zu Schaden. Wenn es jedoch ein echter Versuch gewesen wäre, dann wären 26 der 40 Studienteilnehmer zu Mördern geworden. Sie hätten die Schüler umgebracht :/

Und was hatte der Versuchsleiter dazu beigetragen? Er durfte nur 4 Sätze sagen:

  1. „Bitte fahren Sie fort!“
  2. „Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen!“
  3. „Es ist absolut notwendig, dass Sie weitermachen!“
  4. „Sie haben keine Wahl, Sie müssen weitermachen!“

Durch ihren Gehorsam sind ganz normale Leute zu Mördern geworden. Wie konnte das soweit kommen?? In Fachkreisen wird das Verhalten als „Agentic Shift“ bezeichnet. Durch die Anwesenheit eines Versuchsleiters in einem weißen Kittel in einer renomierten Universität legen wir unsere Gewissenhaftigkeit und unsere Einschätzung von richtig und falsch beiseite. Wir wollen ja bloß nicht das Experiment gefährden oder negativ auffallen, der Versuchsleiter ist ja ein „Experte“ und er weiß ja schließlich wovon er spricht. Agentic Shift bedeutet, dass wir dem autoritären Versuchsleiter die Verantwortung übertragen („shiften“), schließlich hat er sich ja das Experiment ausgedacht :/

Warum bringe ich dieses Beispiel beim Thema Charakter und Persönlichkeit? Vielleicht fassen wir nochmal kurz zusammen:

Temperament = Wesenszüge, mit denen wir zur Welt kommen.

Persönlichkeit = Unsere Eigenschaften, die unsere Gene und unsere Erziehung und unser Umfeld hervorgebracht haben

Charakter = Unsere ethisch-moralischen Vorstellungen, unsere Werte, die wir vertreten.

Unser EINZIGER Abwehrmechanismus gegen die bösen Absichten eines Mitmenschen ist unsere Courage. Wenn wir merken, dass wir gerade manipuliert oder ausgenutzt werden, um anderen zu schaden, dann müssen wir aufstehen und gehen. Die Konsequenzen sind sehr oft viel weniger problematisch, als wir es denken!! In Krisensituationen zeigen wir unseren Charakter und wir können uns beim nächsten Mal daran erinnern, dass wir nicht wie der Kapitän der Costa Concordia unser „Schiff in Not“ als erste verlassen…. Vorbilder helfen uns dabei…

„Wenn du bis zum Hals in der Scheiße steckst, lass den Kopf nicht hängen“

Vielleicht hilft es dir, deinen nächsten Ärger als „Charaktertest“ zu sehen. Stell dir vor, du wirst gerade bei der „Versteckten Kamera“ gefilmt und alle schauen dir zu 😉 Sieh zu, dass du würdevoll den Abgang findest, ohne dich zum Affen zu machen oder allzu sehr aus deiner Haut zu fahren. Nehm die Dinge sportlich und mit Humor, dann hast du ein grandioses Leben vor dir!

Mein Fazit:

Es lohnt sich, seine eigene Persönlichkeit zu kennen und wie wir in den unterschiedlichen Situationen reagieren. Wenn wir jedoch vorhaben eine starke Persönlichkeit und einen vorbildlichen Charakter zu entwickeln, dann müssen wir Bescheid wissen, über die Stolperfallen unseres Verstandes. Es mag Situationen geben, an denen unser Leben von unserem Gehorsam abhängt. Es gibt jedoch so viele Situationen, in denen wir Schaden anrichten, einfach weil wir nicht die Courage aufbringen, NEIN zu sagen, auch wenn wir mitten in einem Experiment stecken. Manche Dinge sind es einfach nicht wert, sie weiter zu verfolgen und das „Böse“ in unserem Umfeld hat ein leichtes Spiel, wenn wir blinden Gehorsam üben anstatt selbst nach zu denken und klare Kante zu zeigen…

Bleib am Ball,

dein Felix

Siehe auch:
Bücher
:
Paul Bloom Psych

Videos:
Milgram Experimente bei Youtube

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