Der Verstand und die Verzerrungen der Welt

Heute zerren wir ein Thema aus der Schublade, die uns Jahre und manchmal Jahrzente Lebenszeit rauben kann, die Verzerrungen der Welt oder im schönen englisch, den „Biases“. Ohne Scheiß!!! Seitdem ich diese „Filter“ unseres Bewusstseins kenne, bin ich täglich erstaunt darüber, wie oft ich darauf rein falle. Ätsch bätsch!

Gehen wir also mal in einen Brillenladen und schauen uns ein paar Exemplare mal genauer an, vielleicht bist du ja auch hin und wieder Träger und hast es noch gar nicht bemerkt. So was aber auch!

Zu Allererst kommt die Verfügbarkeits-Brille („Availability Bias“): Wenn wir Hufgetrappel hören, denken wir an ein Pferd und nicht an ein Zebra. Wir glauben schnell an Dinge, die uns schnell ins Bewusstsein kommen und dazu gehören auch Gefühlswallungen. Es hilft uns, schnelle Entscheidungen zu treffen. Ein gestreiftes langes Etwas wird im schönen Schwarzwald gleich als Stock identifiziert, während es im Djungel genau inspiziert würde, dass es bloß keine Giftschlage ist. Das schnelle Denken hindert uns aber an guten Entscheidungen und wir neigen dazu Situationen fehleinzuschätzen. Daniel Kahneman hat unser Denken in zwei Kategorien eingeteilt, schnell, intuitiv und oberflächlich und langsam, ausführlich und besser für schwierige Fragen geeignet. Das schnelle Denken ist oft fehlerbehaftet, da es eben schnell gehen muss. Aber im Zweifel halte ich einen Stock lieber für eine Giftschlange als zu riskieren, gebissen zu werden 🙂

Die zweite wichtige Brille ist die Bestätigungs-Brille („Confirmation Bias“): Wir suchen zuerst nach Informationen, die unseren Überzeugungen entsprechen. Soldaten und Verschwörungsgläubige lieben dieses Exemplar. Es ist alles so einfach, so lange die anderen um mich herum die gleiche Brille tragen, kann ich getrost glauben, die Erde sei eine Scheibe (sog. „Flat-Earthler“), Achtung, plums, zu spät… Wenn wir z.B. Donald Trump gewählt hätten, würde uns die Bestätigungsbrille dabei helfen, den Sturm auf das Capitol zu verharmlosen und die notorische Lügerei unter den Teppich zu kehren… Iiiiiii bähhhh….

Alle guten Dinge sind Drei. Die dritte Brille ist die Selbstüberhöhungs-Brille („Self enhancement Bias“): Wir neigen dazu, Erfolg uns selbst zu zu schreiben und Misserfolg durch Kräfte außerhalb unserer Kontrolle bedingt anzusehen. Wir verspüren den innigen Wunsch, uns selbst treu bleiben zu wollen und wir vermeiden „kognitive Dissonanz“, also Spannungen im Kopf (s.u.). Du kannst ja mal den Versuch wagen. Wenn du zu einem Treffen zu spät kommst, war es die deutsche Bahn, dein Fahrrad oder einfach das Wetter, wenn jemand anderes zu spät kommt, dann kommen schnell Gedanken auf, was für eine „unpünktliche Person“ der Andere ist…. Wenn uns etwas nicht gelingt, schieben wir es auf die Umstände, das Wetter oder einfach auf den Zufall. Hat jedoch jemand anderes uns im Stich gelassen, dann ist er gleich ein A*****. Also sehen wir es gerne schnell als Charakterschwäche an.

Kommen wir noch einmal zur kognitiven Dissonanz. Sie spielt in unserer therapeutischen Arbeit eine riesen Rolle. Es bedeutet, dass sich unser Orchester der Gedanken auf einmal schief und schräg anfühlt, wenn etwas nicht so ist, wie wir es uns gedacht hätten. Dann versuchen wir schnell wieder „Harmonie“ herzustellen und wenn es nur bedeutet, den „schrägen Gedanken“ nach zu geben. Das führt zu einer Reihe von weiteren Schwierigkeiten, die sich uns in den Weg stellen. Nehmen wir die Schematherapie und überlegen uns ein Beispiel. Dafür müssen wir noch schnell wissen, dass ein Modus ein aktueller Zustand ist, der für die Situation übertrieben ist. Ein Schema ist ein gelehrntes Muster aus unserer Kindheit. Es sorgt dafür, dass wir uns hin und wieder zum Deppen machen 😉 Ein Beispiel gefällig. Als ich nach dem Abitur auf der Suche nach einem Studium mich doch für die Medizin entschieden hatte, wusste ich, dass mit meinem „schlechten“ Durchschnitt, ich lange warten und Glück brauchen würde. Durch meine Waldorf-Karriere habe ich viel gelernt, ich hatte aber immer auch das Gefühl, nicht „gut genug zu sein“ und zu viel Zeit in der Schule mit „Werken und Co.“ verbummelt hatte. Also fühlte ich mich unzulänglich und ich schämte mich ein bisschen für mein „Nichtwissen“ im Vergleich zu den anderen Mitbewerbern um einen Studienplatz. Das wäre ein klassisches Schema. Und was hab ich daraus gemacht? Ich hab jedem, der es NICHT wissen wollte groß und breit erklärt, warum ICH der beste Kandidat als Arzt wäre und das muss so übertrieben gewesen sein, dass wir es als „Modus“ bezeichnen können. Es war also ein Autopilot, eine „Überkompensation“, ich musste meine Selbstzweifel „überspielen…

Mein Fazit:

Wenn wir wissen, dass unser Gehirn nicht exakt die „echte“ Welt um uns herum widerspiegelt, sondern wir ständig mit Verzerrungen rechnen müssen, insbesondere, wenn das Stresslevel steigt, können wir die Brillen bewusst absetzen und klarer denken. Das ist insbesondere schicksalhaft, wenn du wichtige Entscheidungen fürs Leben treffen möchtest, wie Partnerwahl, Kinder kriegen oder Karriereoptionen 😉

Also, bleib klar und hinterfrage deine Gedanken 🙂

Dein Felix

Siehe auch:
Bücher:

„Raus aus Schema F“ von Gitta Jacob

Videos:

Youtube-Video Debatte zwischen Sam Harris und Ben Affleck

Youtube-Video Zusammenstellung über Jordan B. Peterson und Gesprächsthemen

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