Freud, Skinner und die Entstehung der Psychotherapie

Heute geht es um zwei Persönlichkeiten, die unser tägliches Leben durchdringen, die wir aber kaum kennen. Darf ich vorstellen. Sigmund Freud und B. F. Skinner. Sie sind so sehr Teil unserer alltäglichen Sprache und insbesondere der Psychotherapie geworden, dass du sie auf jeden Fall ein wenig besser kennen lernen solltest.

Siegmund Freud (geboren 1856) war ein österreichischer Arzt und Forscher des Unterbewussten. Er gründete den Begriff Neurosen („Nervenkrankheit“) und er veröffentlichte Bücher zur Traumdeutung, zur Psychopathologie (also Erkrankungen der Seele) sowie die Psychoanalyse. Darin begründete er eine Struktur der Psyche, sozusagen die Organe der Seele, welche das Es, Ich und das Über-Ich seien.

Kleiner Disclaimer. Ich bin kein „Freudianer“, ich habe den Eisberg der Psychoanalyse also nicht selbst abgetaucht, daher bleiben wir besser an der Oberfläche. Hier eine kleine Übersicht aus Wikipedia 🙂

https://de.wikipedia.org/wiki/Sigmund_Freud

Du kennst bestimmt Auszüge aus Freuds „psychosexualer Entwicklungstheorie“. Es gibt 1. die Orale Phase, 2. die narzistische Phase, 3. die anale Phase (2.-3. Lebensjahr), 4. die phallische Phase (4.-5. Lebensjahr), 5. die Latenzphase (6.-12. Lebensjahr) und 6. die genitale Phase (Ab dem 13. Lebensjahr).

Die Psychoanalyse nach Freud sucht nach Schwierigkeiten der Patienten in den verschiedenen Phasen als Erklärung für aktuelles Verhalten. Wenn deine z.B. in deiner analen Phase zu sehr au deinen sauberen Po geachtet hat, dann führe das zu einer „Zwangsneurose“ und du musst nun überall für Ordnung sorgen. Das Verständnis dieser Zusammenhänge, so Freud helfe den Patienten ihre Neurose zu überwinden.

P.s. sollten wir uns einmal persönlich begegnen und ich zu unserem Treffen zu spät kommen, dann hat mein „Unterbewusstsein“ nichts gegen dich, ich bin nur hin und wieder vergesslich 😉 Please, don`t take this to serious!

„Die Suche nach DEM Wesen des Unterbewussten ist wie die Suche nach einer schwarzen Katze in einem dunklen Raum, wenn es gar keine Katze gibt“

(Frei übersetzt von Sam Harris)

Ich denke, das „Unterbewusstsein“ hat ausgedient. Wenn ich zu unserem Treffen zu spät komme, dann hat mein Unterbewusstsein nichts gegen dich. Sie gibt es nicht, diese eigene „Persönlichkeit“ im Hintergrund, die Unterbewusstsein genannt wird. Mir wird einfach zu viel küchenpsychologischer Schindluder mit diesem Konzept betrieben, ich bekomme ein schlechtes Gewissen und fühle mich schlecht, mit meinem Unterbewusstsein stimmt etwas nicht :/ Für mich ist das „Körperbewusstsein“ ein passenderer Begriff. Wenn ich auf der Couch eingeschlafen bin oder ich schnell auf dem Weg zu unserem Treffen noch etwas zu essen geholt habe, dann hat mein Körper meine Entscheidungen beeinflusst. Es wird logisch und nachvollziehbar, dass ich den Wecker nicht gehört habe wenn ich die Nacht davor kaum geschlafen habe. Mein Körper hat sich seinen Schlaf nachgeholt. So muss ich mich nicht für mein Verhalten in die „Scham-Ecke“ stellen und reumütig bei dir angedackelt kommen. Sondern, ich muss etwas an meinem Verhalten ändern, zusehen, dass ich genug Schlaf bekomme, wenn mir an unserer Freundschaft etwas liegt…. Das klingt für mich viel fortschrittlicher, menschenzugewandter und kluger als ständig der nicht vorhandenen schwarzen Katze des „Unterbewussten“ hinterher zu jagen…

Ich bin nicht tiefenpsychologisch ausgebildet und kann dir hier nur Allgemeinwissen weitergeben (gähn). Bevor mir ein „freudscher Versprecher“ herausrutscht oder ich dir kompliziert den „Ödipus-Komplex“ erkläre bzw. mein „Unterbewusstes“ hier das Ruder übernimmt, nehmen wir lieber die Abkürzung zum nächsten Spannenden Mann, nämlich B.F. Skinner…

B.F. Skinner ist der nächste Held in der Geschichte der Psychotherapie. Er wurde 1904 in Pennsylvania geboren und wurde ein anerkannter Psychologe, der den Behaviorismus vertrat. Hier helfen Englischkenntnisse, „behaviour“ heißt auf Deutsch „Verhalten“. Skinner war überzeugt, dass alles Verhalten in den auslösenden Reiz und die darauffolgende Reaktion zerlegt werden konnte („stimulus-response“). Er radikalisierte diese Idee. Ein Vorgänger von ihm war Iwan Pawlow, der Hunden einen Piepton vorspielte und dann ihnen Essen gab. Die Hunde verbanden den Piepton (Reiz) mit dem Essen (Stimulus) und zeigten durch ihren Speichelfluss, dass sie schon beim Piepton zu sabbern anfingen. Was für eine Erkenntnis 😉 sie nennt sich „klassische Konditionierung“. Wenn du an etwas konditioniert bist, dann hast du dich wie daran „gewöhnt… Skinner setzte Pawlows Arbeit fort und erfand die „operante Konditionierung.“ Nehmen wir den Hund als Beispiel. Er zeigt bei Hunger spontanes Verhalten und schnüffelt überall nach etwas Essbarem (nachvollziehbar, oder?;). Das neue an dieser Form der Konditionierung ist, dass „Lernen am Erfolg“ genannt wird. Das gewünschte Verhalten des Hundes wird durch Belohnung verstärkt und unerwünschtes Verhalten durch Bestrafung unterdrückt. Der Hund wird operant konditioniert!

Hieraus entstand nun die klassische Verhaltenstherapie, die das beobachtbare Verhalten des Menschen ver- oder umgelernt werden kann, sollte darunter die Lebensqualität leiden. In der kognitiven Verhaltenstherapie (kognitiv = vom Kopf her 😉 werden bisherige Denkweisen, Einstellungen und Annahmen hinterfragt und bearbeitet. Ungesunde Überzeugungen werden aufgedeckt und durch realistische ersetzt.

Eine Weiterentwicklung der 1960er Jahre ist die systemische Familientherapie. Sie sieht Probleme nicht in einzelnen Individuen, sondern in Umweltbedingungen und Familienstrukturen. Ungesunde Gesprächsmuster oder Beziehungsführung in einem System werden aufgedeckt und damit „auffällige“ Verhaltensweisen von Einzelnen in diesem System begegnet.

Die Gelehrten und Sprecher der verschiedenen Therapierichtungen behaupten gerne, Ihre Therapieform habe die bessere Datenlage und dass sie DIE BESTE Methode seien. ***Achtung-Muskelspielchen-Alarm***

Ich sehe die Psychoanalyse nach Freud als Möglichkeit, seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Die Verhaltenstherapie nach B.F. Skinner ist pragmatischer und verspricht durch ihre Techniken, die aktuellen Probleme schneller anzugehen. Die systemische Familientherapie hat ihre Stärken, wenn Familien belastet sind und Hilfe bedürfen.

Mein Zu Hause ist die Schematherapie. Ich liebe sie, bin in ihr ausgebildet ***Achtung, Achtung überzeugter Gelehrte kommt in die Bekehrungseuphorie*** 😉 Die Schematherapie basiert auf der Psychoanalyse und der kognitiven Verhaltenstherapie. Ein wichtiges Element ist die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit und der (meist in der Kindheit) gelernten Schemata. Diese sind dann insbesondere ungünstig, wenn die Grundbedürfnisse nicht befriedigt wurden. Die Grundbedürfnisse sind zusammenfassend 1. Sichere Bindung, 2. Grenzen austesten und 3. die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Es geht in der Schematherapie darum, ungünstige Erlebens- und Verhaltensmuster bewusst zu machen und sie zu verändern, dass wir im Alltag besser klar kommen und uns die daraus entstandenen Modi nicht das Leben ruinieren. Modi (von Modus) kannst du dir wie einen Autopiloten vorstellen, der bei uns wie „automatisch“ abläuft und uns teilweise noch mehr in die Sch*** reitet (Sorry für die Ausdrucksweise)…

Kleines Beispiel? Ich bin z.B. als Waldorfschüler ständig auf dem Schulweg angegangen worden. Ich hätte lieber Bäume fällen oder im Wald arbeiten sollen oder lieber gleich meinen Namen vortanzen :/ Daraus könnte ein Schema von mir entstanden sein, dass sich „Streben nach Anerkennung“ nennt. Und jetzt wird`s spannend für mich. Wenn ich in eine Diskussion rutsche, in der ich mich in eine Ecke gestellt fühle, wie ein „dummer Waldi“, der wieder nichts blickt (dickes Brett vor dem Kopf;), dann starten bei mir wie automatisch ein Modus, also ein Autopilot, ich beginne einen Vater-Kind-Dialog mit mir selbst, der sich gewaschen hat :/ Ich bin manchmal am strengsten mit mir selbst, aber seit dem ich die verschiedenen Modi kenne, die bei mir los gehen können, bin ich schon deutlich entspannter… Hätte ich zu sehr auf meine „inneren Stimmen“ gehört, wäre dieser unperfekte und „viel zu“ persönliche Blog wahrscheinlich nie Realität geworden 🙂 Was ich daran spannend finde, ist dass wir mit dem Wissen um unsere Modi diese auch gezielt lenken können, so ist aus meinem „Streben nach Anerkennung“ ein engagierter Kinderarzt mit Leib und Seele geworden 😉

Mein Fazit:

Die Psychoanalyse hat in meinen Augen ihre Berechtigung, wenn es z.B. darum geht die eigene Kindheit verstehen und einordnen zu wollen. Sie kann manchmal hunderte von Therapiestunden verschlingen und sich eine gefühlte Ewigkeit in der Vergangenheit aufhalten. Die kognitive Verhaltenstherapie hat insbesondere bei akuten Problemen, wie Ängsten und Depressionen eine gute Wirksamkeit, mir persönlich ist sie jedoch manchmal zu sehr auf die Konditionierung fokussiert. Meine Liebe gehört der Schematherapie, da sie die besten Eigenschaften der beiden ersten Therapieformen vereint, sie Handlungsmöglichkeiten liefert („erkenne deine Modi“) und auch eine Weitsichtigkeit beweist, die eine gesunde Weiterentwicklung ermöglicht.

Das WICHTIGSTE zum Schluss: Trotz dieser verschiedenen Therapierichtungen sind die meisten Therapeuten, die ich kenne „eklektisch“ unterwegs. Das hat mit Elektrizität nichts zu tun, sondern heißt, sie suchen sich, wie auf einer Blumenwiese die besten Gewächse aus den verschiedenen Fachrichtungen heraus und sind nur noch selten rein einseitig unterwegs. Und jetzt noch das ALLERWICHTIGSTE: Was wirkt denn eigentlich in einer Psychotherapie???? Es ist die Beziehung zum Therapeuten und die gemeinsame Allianz, die gebildet wird, das macht 80% des Therapieeffektes aus. Die Fachrichtung ist zweitrangig, die Chemie muss stimmen!!! Na toll, jetzt hast du das Ganze gelesen und ich sage dir das erst jetzt :/ Ja, denn jetzt bist du vorbereitet, wenn dir jemand deine fehlerhafte anale oder genitale Phase als Ursache für dein Zuspätkommen weiß machen will 😉

Bleib clever, wissbegierig und interessiert 🙂

Dein Felix


Siehe auch:

Bücher:
Buch Psych von Paul Bloom mit einer guten Übersicht der Psychologie

Buch „Dann ist das wohl psychosomatisch“ von Alexander Kugelstädt

Buch „Reflections“ vom angehenden Nobelpreisgewinner Carl Deisseroth

Videos:

Interessantes Erklärvideo zur Schematherapie

Podcasts:
Hubermanlab mit dem Psychiater Paul Conti, der Lady Gaga das Leben rettete

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert