Heute geht es um das Abschiednehmen und das Trauern, also verlieren wir keine Zeit und legen gleich los…
Was ist das Trauern überhaupt? Neurobiologisch ist es ein Zustand der „Sehnsucht“. Wir sehnen uns nach einer verlorenen Person, einem Tier, einem Gesundheitszustand und können sie nicht erreichen. Das ist ein dopaminerger Zustand (siehe Beitrag), wir sind auf der Suche nach unserem Liebsten, wie ein Jäger, der für seine Familie kein Tier findet und sie hungern sieht. Das Trauern ist mit einem heftigen „Schmerz“ verbunden, der die gleichen Bereiche im Gehirn aktiviert, wie körperlicher Schmerz. Trauern ist eine natürliche Antwort auf einen Verlust, wie ein Knochenbruch einem heftigen Sturz folgen kann.
Frau Kübler-Ross hat 5 Trauerphasen identifiziert, die darf ich dir natürlich nicht vorenthalten:
- Leugnen
- Wut
- Verhandeln
- Depressive Verstimmung
- Annahme
Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft laufen die Phasen nicht hintereinander ab, sie sind häufig vermischt, abwechseln sich ab und nicht jede Phase wird von allen erlebt. Daher sind es eher Trauer-Emotionen, als Trauer-Phasen. Es sind Gefühlszustände, die uns beim Trauern überkommen.
Ist Trauern eine Depression? Nein. Der Trauerprozess kann in Einzelfällen in einer Depression münden, dennoch ist das Trauern eine essentielle Phase, in der ein Verlust verarbeitet werden möchte. Eine Depression ist wie ein „bleierner Mantel“, der unser ganzes Leben betrifft, wie ein „Nebel“, der sich nicht auflöst. Das Trauern ist ein schmerzhafter „Umlern-Prozess“ und auf einen Verlust bezogen und keine Depression. Antidepressive Medikamente wirken sehr oft nicht beim Trauerprozess.
Wie trauern wir? Um das zu verstehen, müssen wir uns zunächst mit unserer Bindung („Attachment“) und unseren Beziehungen beschäftigen. Es gibt drei Dimensionen von Beziehungen. Die Achse des Ortes beschreibt unsere räumliche Nähe zu einer anderen Person, welche Ort wir mit ihnen teilen und wo wir uns gemeinsam aufhalten. Die Zeit bedeutet zum Einen, die Tages-/Nachtzeit, an der wir gemeinsame Zeit verbringen und zum Anderen wieviel Erlebnisse wir miteinander teilen, wieviel „Quantity“ und Quality-Time“ wir einander widmen. Am wichtigsten für das Verständnis der Trauer ist die Nähe zu der verlorenen Person. Je näher uns eine Person stand, desto stärker trauern wir um sie.
Eine enge Beziehung schafft Nähe und einen eigenen Raum in unseren Neuronen-Netzwerken, das WIR. Verlieren wir die geliebte Person bleibt in unseren Neuronen das „Wir“ eingraviert. An bestimmten Orten spüren wir den schmerzlichen Verlust weiter und an bestimmten Tageszeiten erwarten wir, dass die Person zur Türe herein kommt.
Wie gehe ich mit Trauer um? Das Trauern ist eine harte Sache und es kostet uns viel Energie. Die Trauerreaktion ist wie ein „Umlernen“, unser Gehirn muss sich neu vernetzen, dass eine Person nicht mehr örtlich und zeitlich erreichbar ist. Es fühlt sich an, wie ein unstillbarer „Durst“ nach der verlorenen Person. Der Verlust wirkt als surreal und nicht echt. Das ist die Leugnung von Frau Kübler-Ross. Wir leben erst einmal weiter und versuchen, den Verlust zu verdrängen, da wir es nicht glauben können. Dann kommt oft (nicht immer) die Wut, warum musste das passieren und warum gerade uns? Wir beginnen zu verhandeln und fragen uns, was passiert wäre, wenn wir auf eine andere Weise gehandelt hätten. Wir spüren den Schmerz des Verlustes und kommen in eine „depressive Stimmung“ (keine Depression). Die Annahme ist das Ziel des Trauerprozesses, dennoch werden die Trauer-Emotionen wieder kehren, nur vielleicht verlieren sie mit der Zeit ihre Wucht, wie eine Welle, die sich abschwächt. Wie lange dieser Zustand dauert, ist sehr unterschiedlich und schwer vorherzusagen. Je nach Nähe und gemeinsam verbrachter Zeit sind es Monate bis Jahre der Trauerarbeit.
Eine mögliche Sackgasse der Trauer ist es, seine Sehnsucht und den Schmerz mit Alkohol und Co. zu betäuben, keine gute Strategie :/
Was sind Ideen für den Umgang mit Trauer?
- Beziehung transformieren: Wenn wir eine geliebte Person verlieren, sind die zwei Dimensionen Ort und Zeit nicht mehr vorhanden! Wir haben sie aber verinnerlicht und das führt dazu, dass wir in gemeinsamen geliebten Orten manchmal die „Anwesenheit“ der Person sogar spüren können, wir wollen sie anrufen, wir glauben, dass sie gleich zur Türe herein kommen. Das sind normale Reaktionen unseres Gehirnes. Wichtig ist, dass wir die Nähe nicht einfach entfernen dürfen, auch wenn wir keinen Ort und keine Zeit mit der verlorenen Person teilen können. Zum gesunden Trauerprozess gehört es, diese Beziehung und Nähe „umzuwandeln“, zu einer Beziehung im „Geiste“. Wir sollten unsere emotionale Beziehung zu der Person erhalten. Religionen bieten erfüllende Rituale und Bilder für diesen Umgang, es ist jedoch auch für Atheisten ein entscheidender Bestandteil des Abschied nehmens.
- Enge Beziehungen pflegen: Die gemeinsame Zeit mit unseren Liebsten kann eine enorme Erleichterung sein. Es geht darum Zeit zu teilen auch wenn zunächst kein Gesprächsbedarf besteht. Basale Hilfe im Haushalt, Spaziergänge u.v.m. sind wohlwollende Begleiter. Hier ist Geduld gefragt und keine mitleidigen Blicke und Sätze, wie „Du arme…“
- An Schuldgefühlen arbeiten: Wir quälen uns mit fiesen Aussagen, wie: „Hätte ich doch nur….“ und diese Gedanken erinnern mich an eine Katze, die ihren Schwanz jagt und danach erschöpft und müde ist. Diese Gedanken tun uns nicht gut. Es ist so geschehen und wir können es nicht mehr ändern. Wenn diese sogenannten „intrusiven Gedanken“ zu laut werden, dann ist Tagebuch schreiben und eine professionelle Hilfe sehr hilfreich
- Stress reduzieren: Wenn wir im Trauerprozess uns massiv gestresst, unter Druck gesetzt fühlen, sind unsere Stresshormone Adrenalin und Cortisol erhöht und unser „vegetatives Nervensystem“ ist im Überlebens-Modus. Das ist kein guter Zustand, um einen Verlust verarbeiten zu können und Studien zeigen, dass massiv gestresste Menschen gehäuft einen komplizierten Trauerprozess erleben.
- Selbstfürsorge & Schlaf pflegen: Die Trauer ist das alles bestimmende Thema und dennoch müssen wir auf unsere Energiereserven achten, um diese Lebensphase gut zu überstehen.
Mein Fazit:
Das Trauern ist ein wichtiges „Umlernen“, geleitet durch eine unstillbare Sehnsucht nach der verlorenen Person, Tier oder Zustand. Diese Sehnsucht führt zu einem körperlich empfundenen Schmerz, es ist jedoch keine Depression. Sind wir füreinander da, reduzieren das Stresslevel durch Selbstfürsorge und verabschieden wir uns von diebischen Gedanken, was wir hätten anders machen sollenund lernen wir die verlorene Person im „Geiste“ am Leben zu halten, dann ist ein sinnstiftendes Weiterleben möglich.
Dein Felix
Siehe auch:
Podcasts:
ON-Purpose Interview mit Joe Biden über den Tod seiner ersten Frau und seines Sohnes
Huberman-Lab zum Thema Trauer und Neurobiologie
Interview mit Trauerforscherin Frances O Connor über das Trauern
Videos:
Trauerforscherin Frances O Connor über den Trauerprozess
Weitere: