Die Entwicklung unseres Gehirnes

Unser Gehirn hat sich in den letzten 500 Mio. Jahren entwickelt. Eine Qualle hat noch kein echtes Gehirn, also können wir sie mit ihren „Nervenbündeln“ getrost an uns vorbei schwimmen lassen 😉 Die nächsten spannenden Lebewesen, die uns die Evolution beschert hat, sind die Seescheiden. Es gibt über 3000 Arten von ihnen, sind sie nicht schön?

https://de.wikipedia.org/wiki/Seescheiden

Haben die Seescheiden ihren Ankerplatz am Meeresboden gefunden, verdauen sie ihr Gehirn einfach (Nr. 7, Türkis, das Neuralrohr). Zack, weg! Clever, oder?

https://de.wikipedia.org/wiki/Seescheide

So setzt sich die Entwicklung unseres Nervensystems fort und es wird immer komplexer und wir sind mittlerweile bei 128 Billionen Nervenzellen und dem ausgeklügeltsten Netzwerk angekommen, das bisher in unserem Universum gefunden wurde. Unser Gehirn ist ein Energiefresser, es verbraucht zwischen 25 und 60% unserer gesamten Energie. Warum haben sich unsere Vorfahren und wir uns so ein Monstrum geleistet? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, jedes Tierlein sucht seinen Ankerplatz und bringt dann dieses kostspielige „nervige“ Organ um die Ecke?

Die Antwort ist simpel und und genial zugleich: Unser Nervensystem hilft uns zu Überleben und eine Nische in unserer Umgebung zu finden. Denn seit dem einer unserer Vorfahren auf die Idee kam, nicht mehr 24/7 Algen und Co. zu fressen, sondern seine Mistreiter auf den Speiseplan zu setzen, sind wir aus dem Paradies der Seescheiden verbannt worden und müssen ständig unser Überleben sichern.

Und da kommen wir zu einer zweiten grundlegenden Beschaffenheit, die unser Super-Brain benötigt, um reagieren zu können, die Geschwindigkeit. Ich habe noch kein Beutetier in Zeitlupe seinem Jäger entkommen sehen 😉

Der grosse Mythos…

Vor 2000 Jahren rief Platon  den Kampf zwischen Verstand, Gefühlen und Trieben aus. Darwin schrieb davon, wie wir Menschen unser “inneres Biest” durch unseren Verstand zähmen müssen. Ein Herr Mac Lean vervollständigte den Mythos eines dreigeteilten Gehirnes. Ging es nach Ihnen, so wäre unser Gehirn in drei Bereiche unterteilt. Ein Reptiliengehirn (der Hirnstamm) würde unsere Triebe steuern und unser Überleben sichern, in dem wir atmen, verdauen und unser Herz schlägt. Ein Säugetiergehirn (das limbisches System) sei für unsere Gefühle verantwortlich. Das Menschengehirn (Neocortex) hingegen sei für unser logisches rationales Denken zuständig. Unser Leben, so die Annahme, sei ein Kampf des Verstandes mit den Gefühlen und Trieben unserer “niederen Systeme”? Das sind leider Märchengeschichten…

Freud und das Unbewusste…

Siegmund Freud ist tief in unser „Unterbewusstes“ eingedrungen und schuf mit der Psychoanalyse die erste Form der Psychtherapie. Laut Freud bestünden wir aus drei Teilen, dem „Es“, unseren Gelüsten und Trieben, dem „Ich“ und dem“Über-Ich“, welche versuchen das „Es“ im Zaum zu halten. Wir lieben es, vom Unterbewusstsein zu reden, als sei es eine „Person“ in uns oder ein fester Bestandteil von uns. Wir werden darauf kommen, dass es mit dem Unterbewussten als Person in unserem Gehirn so ist, wie in einem dunklen Raum nach einer nicht vorhandenen schwarzen Katze zu suchen, die Suche danach führt in die Irre!

Der Quantensprung der Neurowissenschaften….

Schauen wir uns Gehirne nach dem Tod des Inhabers an, indem wir es in Scheiben schneiden und Farbe darauf kippen, so können wir die Geschichte vom animalischen und menschlichen Gehirn weiter erzählen.

Wenn wir jedoch die moderne Forschung seit den 1990ern anschauen, dann sehen wir, dass der Glaube an ein animalisches und menschliches Gehirn eher einer Religion zuzuordnen ist…

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2666944/

So was aber auch! Leah Krubitzer und ihre Kollegen veröffentlichten schon 2009, dass Beutelratten (Opossums) schon über eine Großhirnrinde verfügen (Rote Bereiche im Bild) und wir Menschen keinen „zusätzlichen“ rein menschlichen Gehirnbereich haben. Was unterscheidet uns dann von den kleinen Nagern?

Du kannst es dir wie beim Tante-Emma-Laden (Nagetiergehirn) und IKEA (menschliches Gehirn) vorstellen. Beide haben die gleichen Grundstrukturen (Kasse, Regale, Lager etc.), der Unterschied liegt in der Komplexizität. Während das schnucklige Geschäft um die Ecke von wenigen Personen aufrecht erhalten wird, sind im IKEA ganze spezialisierte Abteilungen am Start. Der Mensch hat die gleichen Gene und Neurone wie unsere Vorfahren, sie haben sich nur weiter entwickelt!

Das geilste Stück Torte….

Stell dir vor, das leckerste Stück Torte steht direkt vor dir! Dir läuft das Wasser im Mund zusammen und dein  “animalisches Gehirn”, dein inneres Biest will dich auf den Kuchen stürzen lassen. Nur  dein logisches rationales Gehirn hält dich noch davon ab, du willst ja nicht dick werden! Diese Erklärung ist leider verzerrt und am Ziel vorbei. Wir brauchen zum Glück keine inneren Raubtiere zu zähmen 🙂

Die wahre Geschichte, Netzwerke statt Schubladen…

Die ECHTE Geschichte ist, dass unser „Unterbewusstsein“, unser „animalisches Gehirn“ NICHT in einem Krieg mit unserem „rationalen menschlichen Denken“ ist. Jahrzente neurobiologischer Forschung haben es widerlegt. Unsere Triebe, Gefühle und unser Verstand sind untrennbar miteinander vereint! Während der evolutionären Reise unserer Vorfahren haben sich die Gehirnregionen nicht wie Kisten aneinander gestapelt. Es gibt keine Kiste (Gehirnregion) für die Wut und auch die ständig zitierte Amygdala ist keine „Angst-Schublade“ (schau dir diesen Artikel des Forschers Joseph LeDoux an, der sich Jahrzente mit der Amygdala beschäftigte).

Die Weiterentwicklung unserer Gehirne ging mit Genveränderungen einher, die einzelnen Gehirnregionen mehr Zeit gaben, sich besser ausbilden und differenzieren zu können, sodass aus dem Tante-Emma-Laden mit der Zeit ein IKEA-Gehirn wurde 😉 Unsere Gefühle und unser logisches Denken stammen aus den gleichen Netzwerken, sie sind Glaubenssätze, welche wir Lebewesen seit Millionen von Jahren entwickeln, um Vorhersagen zu treffen und unser Überleben zu sichern.

Sind wir Menschen die Krönung der Schöpfung?

Unsere Gehirne entwickelten sich unter dem Druck nicht gefressen zu werden, 100% DEINER Vorfahren waren jedenfalls bis zur Zeugung ihrer Nachfahren erfolgreich darin. Was für eine Erfolgsgeschichte! Wir Menschen haben für unsere Nische die perfekten Netzwerke entwickelt aber wir sind nicht das “Ziel oder der Höhepunkt der Schöpfung, wir sind keine Superhelden der Schöpfung! Oder können wir das 50fache unseres Körpergewichtes tragen, fliegen oder verlorene Arme oder Beine nachwachsen lassen, wie andere Tiere es können?? Also, immer schön am Boden bleiben 😉

Warum entwickelten wir ein Gehirn?

Zum logischen Denken? NEIN! Damit der Verstand unsere Triebe und Gefühle besiegt? Nein. Damit wir Netflix-Binge-Watchen dürfen? Auch nicht. Unser Gehirn entstand als Kommandozentrale mit dem Auftrag unser Überleben zu sichern.  Unsere fleischfressenden Mitstreiter haben es uns gelehrt, die Schnelligkeit ging vor Genauigkeit….

Unser Gehirn nutzt Trillionen von Nervenverbindungen, steuert, kontrolliert und balanciert über 600 Muskeln, reguliert dutzende Botenstoffe, lenkt Blutflüsse und steuert die Verdauung und nebenbei die Körperpolizei, und das alles in einer super komplizierten Welt! Energieeffizienz ist der Schlüssel fürs Überleben, jede Aktion ist eine “ökonomische” Entscheidung, sie geht auf unser Körper-Konto, ob wir wollen oder nicht. Wenn ich durstig bin und etwas trinke, stille ich sofort mein “Durstgefühl”, auch wenn die Flüssigkeit noch 20 Minuten braucht, bis sie im Blut ankommt. Ich habe mit einem kleinen oder großen Aufwand die Balance (schlau Allostase) wieder hergestellt und eine Einzahlung auf mein Körper-Konto getätigt.

Unser Zukunfts-Erfahrungs-Simulator…

Unsere Netzwerke sind ständig aktiv und verbraten damit mindestens 20% unserer kostbaren Energie für “Tagträumerei”, Grübeln und Gedanken umherschweifen lassen? Da läuft ein “Zukunfts-Erfahrungs-Simulator”, der unser Umfeld und unseren Körper ständig scannt und checkt, ob uns etwas aufs Körperkonto geht oder gehen könnte! Unsere Gedanken, Tagträumerein dienen dazu Glaubenssätze zu entwickeln und zu überprüfen und daraus schnell Vorhersagen und Entscheidungen treffen zu können. Unsere Gedanken von heute werden unsere Glaubenssätze und Vorhersagen von morgen!

Sehen wir, was “wirklich” da ist??

Was wir sehen ist doch wirklich da, oder? Siehst du die zwei Vierecke A und B auf dem Schachfeld links? Haben sie die gleiche Farbe oder nicht? A ist dunkel und B ist heller? Was würdest du darauf wetten?

https://en.wikipedia.org/wiki/Checker_shadow_illusion

A und B haben die gleiche Farbe!! Schau dir das rechte Bild mal an. Aber warum sieht dein Gehirn einen Unterschied? Weil es die Vorhersage trifft, dass alle Farben auf dem Schachbrett regelmäßig verteilt sind und das B im Schatten des Kegels liegt und daher eigentlich heller sein müsste. Wir beeinflussen was wir sehen, es ist eine Mini-Halluzination! Und warum das Ganze Theater? Damit wir schneller und effizienter sind!

Mein Fazit:

Unser Gehirn nimmt die Realität NICHT objektiv wahr! Unser Gehirn konstruiert eine Realität, um unseren Körper steuern, schnell reagieren und unser Überleben sichern zu können und nimmt dabei „Verzerrungen“ der Wirklichkeit in Kauf. Wir haben kein Tier in uns und auch kein „Unterbewusstsein“ im klassischen Sinne, das wir mit unserem rationalen Denken bezwingen müssen. Puh, ein Glück!

Aber was passiert denn dann in unserem Kopf, wenn wir uns nicht auf die leckere Sahnetorte stürzen wollen? Unser Gehirn ist ein perfektes Vorhersageorgan und arbeitet als Super-Netzwerk. Es gleicht die vorhandenen Informationen (leckere Torte) mit seinen Glaubenssätzen ab (Süss ist gut für den Winterspeck), um eine möglichst „überlebenssichernde“ Vorhersage zu treffen (dieses Festmahl sichert mein Überleben). Glücklicherweise durften unsere Vorfahren ohne die Lobbyarbeit der Zuckerindustrie aufwachsen und somit für sie nützliche Glaubenssätze entwickeln (Süß ist Mega!). Dass wir unsere Glaubenssätze überarbeiten (raffinierter „weißer“ Zucker ist Scheiße!), ist jedoch in der heutigen Zeit der Haifisch-Snickers-Kapitalisten essentiell, da wir sonst dick und fett und die Haifische stinkereich werden! Gut dass unsere Gehirne lernfähig sind und wir den Werbe-Futzies von Mars, Snickers und Co die Zunge raus strecken können 😉

Diese Grundlagen werden für spätere Beiträge im „Mind-Bereich“ zu haaresträubenden und unglaublich wertvollen Erkenntnissen führen, nur Geduld, ich bin schon dran.

Bis dahin immer schön locker und geschmeidig bleiben, vielleicht ist ja auch der niedrige Zuckerspiegel an deiner schlechten Laune schuld und nicht nur meine endlosen Bandwurmsätze (siehe Studie von Richtern und ihre „rationalen“ Entscheidungen vor der Mittagspause :/)…

Siehe auch (Achtung Binge-Watching Gefahr ;):

Ted-Talk – Vortrag von Lisa Feldman Barrett zum Thema Emotionen

Ted-Talk – Vortrag von Anil Seth zum Thema Bewusstsein

Buch von Lisa Feldman Barrett – How Emotions are Made

Buch von Lisa Feldman Barrett – Siebeneinhalb Lektionen über das Gehirn

Studie zum Thema Gehirnregionen und deren Neudefinition bei Spracharealen

Studie zum Thema Gehrinregionen bei Spracharealen

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