Die Gewohnheiten, die Bahnung und der innere Schweinehund

Schon wieder Montag :/ Das Wochenende war doch so schön, kann ich nicht erst morgen zur Schule gehen? Jeden Montag grüßt das Murmeltier 😉 Das morgendliche Aufstehen ist manchmal echt eine Tortur, gerade wenn du eine Nachteule bist oder es draußen kalt ist. Ok, heute geht es um Gewohnheiten. *Gähn* Langweilig, denkst du? Nichts ist eintöniger, als immer dem gleichen Trott nach zu latschen. Stimmt, aber ohne Gewohnheiten säßen wir nicht hier! Häh? Ich erklär es dir 🙂

Du hast keine Gewohnheiten? Bei dir ist jeder Tag anders und du bist so flexibel, dass dir ständig etwas Neues einfällt? Das kaufe ich dir nicht ab 😉 Es gibt eine Studie, die Menschen vor der Arbeit mit Hilfe von Überwachungskameras beobachtet hat. Los ging es im Parkhaus und es endete am Arbeitsplatz und stell dir vor, Tag für Tag wurden exakt die gleichen Wege gegangen, der Schlüssel genau gleich verwendet u.s.w. Gewohnheiten stecken so tief in uns drin, wir entwickeln sie bereits im Säuglingsalter. Ohh, jetzt hab ich schon wieder in der Nase gepopelt, igitt 😉

Wozu sind denn Gewohnheiten da? Wir kommen gleich nochmal auf die Unterschiede in unserem Tagesablauf zu sprechen, aber allgemein laufen Gewohnheiten „automatisch“ ab. Wir brauchen sehr wenig Energie, um sie durchzuführen, es sei denn es ist Montagmorgen… Gewohnheiten sind Dopamin-Spender (siehe Beitrag). Wenn du ältere Leute beobachtest, wie geregelt sie häufig ihren Tag angehen und wieviele Gewohnheiten sie „pflegen“, dann siehst du, wie sie sich mit Dopamin belohnen nach jeder vollendeten „Aufgabe“. Gewohnheiten sind alltägliche kleine Rituale. Wenn wir in einem Ritual unterbrochen werden, dann spüren wir durch den Dopamin-Crash ein negatives Gefühl, dass manchmal wie „Schmerzen“ beschrieben wird.

Und was ist mit schlechten Gewohnheiten? Was ist denn gut und was schlecht? Wollen wir uns darauf einigen, dass gute Gewohnheiten unser Leben verlängern und schlechte es verkürzen? Beispiel gefällig? Ein lapidarer Umgang mit unserem Schlaf über Jahrzehnte führt zu einer verkürzten Lebenszeit von etwa 6 Jahren :/ Und das fällt mir ausgerechnet am Montagmorgen ein??? Ok, das Rauchen ist eine schlechte Gewohnheit. Check! Wie viele Menschen mit ihrem Körper umgehen ist auch eine lebensverkürzende Gewohnheit. Vergleiche doch mal den Körperbau eines Menschen mit seinem Auto. Dicke Wampe, Hohlkreuz, kaum Körperspannung aber einen dicken Porsche fahren. Jaja! Ich stelle mir in solchen Situationen das Umgekehrte vor: Ein muskulöser und stattlicher Mann steigt aus einem zerbeulten zerkratzten und mit Müll (Bauchspeck) überladenem Auto aus, das auf den Felgen fährt und ständig die Bremse versagt. Schon verrückt, was unsere Gewohnheiten mit uns anstellen! Sei froh, dass du deine Lebenszeit noch nicht in einen Haufen teuren Blech eingetauscht hast!

Also gut, du willst eine neue Gewohnheit in deinem Leben einführen? Aber dein innerer Schweinehund lässt dich nicht? Es ist einfach zu bequem, am Handy zu daddeln und deinen Nacken weiter zu strapazieren??? Was ist denn neurobiologisch erklärt der innere Schweinehund? Im Englischen heißt er „Limbic Friction“, was so viel bedeutet, wie eine Reibung oder eine Unruhe, die in deinem Nervensystem entsteht, wenn du etwas NEU machen sollst. Dein Gehirn ist ja auf das Energiesparen ausgelegt, es genügt ja schon, dass unser Hirnschmalz 25% unserer Energie frisst 😉 Der innere Schweinehund fängt an zu bellen, wenn unser „Wach-Bewusstsein“ und unser „Körperbewusstsein“ (siehe Beitrag) sich uneinig sind. Wir wollen z.B. mit dem Joggen anfangen und gedanklich ist das eine super Idee. Nur will unser Körper nicht die Anstrengungen auf sich nehmen, wir könnten uns ja sogar dabei verletzen. Gut dann wählen wir doch lieber den langsamen dickbäuchigen Diabetiker-Tod in 20 Jahren in Kauf mit verstopften Gefäßen und einem 20kg Bauch-Speck-Rucksack inklusive.

Das Aufschieben von Gewohnheiten wird in schlau auch „Prokrastination“ genannt und es hat nichts mit Schnipp-Schnapp unten herum zu tun 😉

Darf ich dir noch einen Mini-Absatz zum Thema der „Bahnung“ verklickern? Wir haben beim Lernen und beim Gendern schon drüber gesprochen *räusper* Aber hier geht es geziehlt um das Erlernen neuer Gewohnheiten und da ist die Bahnung in unserem Gehirn wichtig. Der Begriff Bahnung kommt aus der Neurowissenschaft und es besagt, dass unsere Nervenbahnen, wie Trampelpfade zu sehen sind. Wenn wir oft darauf laufen, dann werden sie größer. Es gibt eine räumliche und eine zeitliche Bahnung. Stellen wir uns vor unsere Gedanken sind Wandersleute auf den Trampelpfaden unseres Nervensystems. Bei der räumlichen Bahnung kommen mehrere Wanderer aus unterschiedlichen Richtungen und sie treffen sich auf dem Trampelpfad (Nervenzellen). Bei der zeitlichen Bahnung kommen die Wandersleute hintereinander gelaufen. Ein einzelner Wanderer kann wenig auf den Trampelpfad einwirken, viele jedoch schon. Nun kommen wir zum Lernen von neuen Gewohnheiten. Zunächst der Terminus-Technikus: Das Priming stammt aus der psychologischen Ecke und es ist der kurzfristige Effekt auf direkt im Anschluss folgende Reize. Wir haben bei der Identität (siehe Beitrag) schon über das Gendern und das Lesen von Texten über „alte“ Menschen gesprochen und dass wir uns danach kurz „alt“ fühlen können. Dieser Effekt ist noch nicht nachhaltig.

Die Langzeit-Potenzierung (LTP) bedeutet, dass eine Nervenzelle von vielen Synapsen zunächst räumlich aktiviert und verstärkt wird, sodass danach einzelne Reize genügen, um einen starken Effekt auszulösen. Ein Trampelpfad wird idealerweise von vielen Wandersleuten gleichzeitig (räumliche Bahnung) begangen und der Trödler, der hinter her läuft, kann dann den geebneten Weg viel schneller gehen und die Gruppe aufholen 😉

Wie können wir also dieses Wissen über die Bahnung in die Praxis umsetzen? Ok, weiter gehts….

Wie kann ich eine neue Gewohnheit einführen?

Gewohnheiten zu verändern bedarf Energie, wir müssen zunächst uns selbst überwinden, manchmal sogar uns selbst „verarschen“. Wir tun es ja im Sinne des Guten 😉 Ich stelle dir hier ein Programm von Andrew Huberman, meinem neurobiologischen Mentor im Geiste. Dieses Programm nutzt hierfür den 24-Stunden-Rhythmus des dopaminergen und serotonergen Systems, um den “inneren Schweinehund” zu überwinden. Legen wir los 😉

Phase 1 (1-8 Stunden nach dem Aufwachen):

In dieser Phase 1 ist das Dopamin, Adrenalin und Cortisol erhöht und eine bessere Energiebereitstellung ist gewährleistet. Wir fühlen uns häufig energetisiert und neigen gerne zum Multitasking, welchem wir nicht nachgehen sollten. Wir suchen uns eine neue Gewohnheit aus, die wir etablieren möchten, insbesondere wenn Prezision, maximaler Einsatz und Fokus benötigt werden  (Studieren, Joggen, Fitness, Yoga, Meditation etc…) und legen ein Zeitfenster fest, in dem wir es durchführen wollen. Dabei sollten wir zeitlich flexibel bleiben, insbesondere in angespannten Zeiten und uns dennoch freundlich an die Durchführung der Aufgabe erinnern und ermuntern.

Phase 2 (9-15 Stunden nach dem Aufwachen): 

In dieser Phase 2 stehen wir unter dem Einfluss von einem höherem Serotoninspiegel und niedrigerem Adrenalin, also ein Zeitfenster für weniger “nervenaufreibende” Aktivitäten. Dies ist eine exzellente Zeit für Arbeiten, die mit weniger Fokussierung erledigt werden können, insbesondere kreative Erkundungen sind hier ideal. Für körperliche Aktivitäten sind eher maximal “Cardio2” Ausdauertraining geeignet, also Sport, bei dem du dich noch gut unterhalten kannst. Auch die Pflege von Beziehungen, Brainstorming für die Arbeit und entspanntes Lernen kann in dieser Zeit geschehen.

Phase 3 (16-24 Stunden nach dem Aufwachen):

In dieser Phase 3 sollten wir ausruhen und schlafen, um unsere Systeme wieder “aufzuladen”. Hier sollten wir helles Licht vermeiden und bevorzugt in einem kalten und dunklen Raum schlafen.

Mein Fazit:

Du möchtest eine alte schlechte Gewohnheit los werden? Dann nutze den Vormittag, um damit zu beginnen. Denke nicht an das Beenden, sondern vereinbare eine Pause mit dir und teste es für mindestens 2 Wochen. Dann hat sich dein Dopamin-System wieder refresht und du merkst die positiven Veränderungen besser. Du möchtest eine neue Gewohnheit beginnen? Dann nutze auch den Vormittag, da fällt es dir leichter. Bereite dich vor, überlege dir, wie du damit anfangen möchtest und setze dir zunächst kleine Ziele. Du kannst das Wissen über die Langzeit-Potenzierung (s.o.) nutzen und den „Trampelpfad“ deiner neuen Gewohnheit von verschiedenen Winkeln ausbauen…

Siehe auch:

Podcasts:

Hubermanlab zum Thema Wissenschaft und Gewohnheiten

Hubermanlab zum Thema Gewohnheiten bilden

Hubermanlab Interview mit Andrew Galpin zur Fittness

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